Der vergangene Sonntag Abend, der
Vorabend der Hochzeit ist nun schon eine ganze Weile vorbei, zu
mindestens gefühlt. Nach dem leckeren aber ungewohnten Abendessen,
die Innereien der frisch geschlachteten Ziegen, was hier wohl immer
als Brauchtum dazu gehört, gehen wir verhältnismäßig spät es ins
Bett. Mittlerweile schlafen sie hier auch auf dem Boden. 16 oder 18
Personen. Diwankar, der Bruder von Dipika, schläft mit seinen
Freunden in dem kleinen Shop auf dem Boden. Die Einzige die es
richtig bequem hat, bin ich. Ein Doppelbett für mich alleine und ein
eigenes Zimmer. Welch ein Luxus.
Der Montagmorgen beginnt extrem früh.
Shila wuselt bereits um 4.40 Uhr durch die Gegend. Die morgendliche
Rushhour im Bad hat seid gestern, dramatisch zugenommen. Jeder will
sich auf seine spezielle Weise chic machen. Bis ich ins Bad kann ist
es 6.30 Uhr. Die Damen fangen an das Frühstück zuzubereiten. Auf
einem einfachen Zweiflammen Gasherd schon eine Herausforderung. Es
gibt Aloo Dum, Kartoffeln in scharfer Sauce, ungefähr 100
selbstgemachte Rotis und für mich und die engere Verwandtschaft ein
Spiegelei. Bis alle etwas zu Essen haben ist 9 Uhr.
Dipika macht sich mit ihren besten
Freundinnen, wir würden vielleicht Brautjungfern sagen, zurecht.
Hinter verschlossenen Türen selbstverständlich. Auch hier ist die
Braut die Überraschung. Nebenan im Gebetsraum murmelt seid dem
frühen morgen der Lama seine Gebete. Es ist der Gleiche der auch die
Puja Zeremonie letzte Woche abgehalten hat. Er freut sich richtig
mich zu sehen und ich werde erst einmal gesegnet.
Auch ich mache mich so langsam parat.
Während ich im Nachthemd nach einen Spiegel suche in dem ich mich
sehen und schminken kann, trudelt auch schon die erste Verwandtschaft
ein. Im Bad gibt es zwar einen Spiegel, der aber so tief hängt, dass
ich bestenfalls meinen Bauch sehe.
Danach versuche ich mich in 7 Meter
Seide zu hüllen, was nicht so einfach ist. Erst der Unterrock, dann
die maßgeschneiderte Sareebluse und dann der Saree. Nach einer
halben Stunde bin ich mit meinem Werk einigermaßen zufrieden. Und
präsentiere mich. Alle finden mich im Saree sehr schön. Ich schäme
mich etwas, weil ein Saree meinen quarkweißen Bauchspeck präsentiert
und damit sehr ungnädig ist. Ich werde eines besseren belehrt;
erstens habe ich so weiße Haut wie sie hier alle gerne hätten und
zweitens zeigt mein Speck, dass ich nicht hungern muss sondern
genügend Geld habe mir etwas zu Essen zu kaufen. Auch eine
interessante Sichtweise.
Dann erspäht mich eine der
Schwägerinnen und findet mein Saree – Gewurschtel gar nicht gut.
Prompt werde ich wieder ausgezogen und der ganze 7 Meter Zirkus
beginnt von vorne. Ok ich gebe unumwunden zu, dass es deutlich besser
aussieht und auch besser sitzt. Ein Profi und ein Laie halt. Kurz
nachdem ich fertig bin geht es auch fast schon los. Bekomme noch kurz
erklärt, wie man sich in einem Saree richtig bewegt. Vorne ist er
bodenlang, und wenn man läuft, rafft man vorne alles leicht an.
Wobei ich jetzt auch verstehe warum der Schneider mir unten eine
Verstärkung rein genäht hat, damit falls man sich mal rein tritt,
nichts kaputt geht.
im Saree |
In der Zwischenzeit hat sich eine große
Menschenmasse gebildet. Drinnen wie draußen. Mit meiner Kamera
bewaffnet mache ich ein paar Bilder und halte mich im Hintergrund.
Einer der Onkels von Dipika und der Lama finden, dass geht gar nicht.
Ich werde direkt ins Wohnzimmer gelotst. Um unmittelbar dabei zu
sein und um viele Bilder zu machen. Fühle mich sehr geehrt.
Und dann geht es auch schon los. 10.30
Uhr
Der Einzug der Bräutigams Familie
nebst Bräutigam.
In das eh schon gut besetzte kleine
Häuschen kommen noch mal geschätzt 30-40 Personen dazu. Die
natürlich nicht alle drinnen einen Platz finden. Die Tradition
verlangt, dass der Bräutigam mit seinen Eltern bei der Braut
einzieht, unter den Gesängen und dem Getrommel der Dorfherren. Dann
werden unzählige kleine Rituale durchgeführt. Im Kern der Aussage,
müssen die Eltern von Dipika und Loden (Dipikas Mann) ihr
Einverständnis geben unter der Aufsicht der Dorfältesten und dem
Lama nebst seinem Mönch.
Schon bevor die Bräutigams Familie
eingezogen ist, wurden von den Onkeln und Dorfältesten diverse
Geschenke übergeben. Immer sehr rituell. Mit einem Katta (der weiße
buddhistische Schal) einer Menge Alkohol und Geld, welches beides
feierlich überreicht wird. Ein lebendes Huhn war auch dabei. Ich
sitze mittendrin und finde es sehr schade das ich die nepalesische
Sprache nicht verstehe. Allerdings wird für mich schon mal etwas ins
Englische übersetzt.
Nachdem die Brauteltern ihr
Einverständnis gegeben haben, ist der eigentliche Akt auch schon
fast vorbei. Gegenseitig überreichen sich die Familien
verschiedenste Kattas. Der Lama spricht seine Worte und führt seine
Rituale durch.
Danach geht es raus. Da es im Hof zu
eng ist geht es aufs Dach, eine Ebene, und dort werden weitere
Zeremonien, vorrangig von dem Onkel, Dewas - Dipikas Papa und dem
Dorfälteren durchgeführt. Auch hier wird wieder dafür gesorgt,
dass ich unmittelbar dabei bin.
Nach dieser fast 40 minütigen Szene
werden alle essbaren Gaben die gebraucht wurden von Brautpaar
gemeinsam gegessen. Anschließend die drum herum sind.
Gaben bei den hochzeitlichen Gaben |
Auf den klassischen Hochzeitskuss warte
ich vergebens. Zu intim. Dipika und Loden tragen beide die
traditionelle nepalesische Hochzeitsgewandung. Dipika eine roten
langen Rock aus der typischen gewebten Seide (heute eher aus Viskose)
mit vielen buddhistischen und chinesischen Ornamenten. Dazu auch in
rot, aber ein anders Muster, einen Blazer, darunter eine rot-bunte
Weste mit dem typischen chinesischen Kragen und eine lange bunte
gestreifte Schürze. Dazu einen nepalesischen Hut in blau. Mir
gefällt es sehr gut. Loden trägt einen aus dickem braun-schwarzen
Kunstfell gefütterten gelb - goldenen Hut und dazu passend eine Art
Wickelmantel, darüber nochmal einen Wickelmantel in violett mit
goldenen Ornamenten. Sieht sehr majestätisch aus. Auch wenn Loden
mir mit seinem Hut etwas leid tut. Morgens war es zwar kalt 14°C,
aber wenn die Sonne raus kommt, was sie gerade tut, ist es schön
warm und selbst in der bauchfreien und kurzärmeligen Sareebluse
friert man nicht.
Anschließend gehen wir runter zum
Festplatz. Loden wechselt seine Kleidung in einen grauen Anzug, unter
dem er passend zum neuen Hut, eine blaue Weste trägt.
Da mich mittlerweile doch ganz schön
viele hier kennen, werde ich natürlich streng begutachtet. Bekomme
aber zum Glück nur Komplimente. Unbewusst, hatte ich mir meine
Sareebluse in Gangtok auch mit einem chinesischen Kragen schneidern
lassen. Allerdings unter dem Gedanken, dass eine höher geschlossene
Bluse besser warm hält.
Die ersten Gäste sind auch schon im
Festzelt und machen sich über das reichhaltige Buffet her. Ich bin
richtig geplättet, was die Köche hier unter den doch recht
primitiven und einfachen Bedingungen gezaubert haben.
Es gibt, weißen Reis, Gemüsereis,
vegetarische kleine Bällchen, Ziege in Soße, frittierten
Blumenkohl, Hühnchen in einer Art sehr scharfen roten Chillipanade,
frittierten Fisch, Paneer (schnittfester Frischkäse) mit Erbsen,
gelbes Linsendal, ein Rettich Chutney und für jeden ein indisches
Milch-Sweet und ein Sell-Roti. Alles sehr schmackhaft. Ok das
Hühnchen hat alles für ne halbe Stunde betäubt. Besonders die
Lippen. Man brauchte keinen Lippenstift. Durch die Schärfe wurden
sie von ganz alleine gut durchblutet und schön warm.
Ein indische Hochzeit läuft dann doch
anders ab, als eine Deutsche.
Dipika und Loden nehmen auf einer
kleinen Bühnen auf zwei Ehrenplätzen platzt und werden diese auch
nur für die menschliche Notdurft und um etwas zu essen, verlassen.
Die beiden, nebst Shila und Dewas haben echt Arbeit.
Denn jeder der ein Geschenk überreicht,
überreicht auch parallel einen Katta an Dipika und einen an Loden.
Anschließend bedanken sich die beiden auch mit einem Katta für das
Geschenk. Ebenso Shila.
Dipika und Loden, frisch vermählt |
Die Geschenke werde in einer Ecke
gestapelt und auch nicht geöffnet.
Da im Gegensatz zu Deutschland die
Gäste nicht auf einmal kommen sondern nach und nach, gibt es für
die beiden ständig was zu tun. Bei 750 Gästen im Laufe des Tages
eine gewaltige Flut an Geschenken und Kattas.
Die Köche kochen sich alle die Seele
aus dem Leib und sorgen für stetigen Nachschub aller Speisen. Keiner
soll leer ausgehen. Zu trinken gibt es Brandy, der hier immer
verdünnt getrunken wird, Bier, Wasser und Tee. Auch hier geht der
Nachschub nie aus.
Hin und wieder gibt es einen Engpass
bei den Tellern. Wurde einen Teller benützt wird er sogleich hinter
dem Festzelt von zwei angestellten Spülern gereinigt. Ich verbringe
den Tag mit netten Gesprächen und mit Bildern machen.
Alle die mich kennen wollen mal mit mir
am Tisch gesessen haben oder ein Foto von sich. Damit vergeht der Tag
wie im Fluge. Gegen 20 Uhr verschwindet das Brautpaar kurz. In der
Zeit fangen ein paar Leute an zu tanzen. Was mir nicht klar war:
jetzt kommt der traurige Teil der Hochzeit.
Denn Dipika, nun umgezogen in einer rot
- gelben Robe, verabschiedet sich von ihren Eltern und wird auf dem
Rücken ihres Bruders aus dem Festzelt getragen. Zusammen mit ihrer
neuen Familie und ihrem Bräutigam geht es jetzt in ihr neues
Zuhause. Die Bräutigams Familie zieht komplett aus dem Festzelt aus.
Was nicht unter der ein oder anderen Tränen zu bewerkstelligen ist.
Für Dipika und ihre „neue“ Familie
beginnt nun ein neuer Lebensabschnitt. Am 6. Dezember darf sie
zusammen mit Loden erstmals wieder zu ihren Eltern. Dann werden auch
die Geschenke ausgepackt. In der Zwischenzeit findet im Hause von
Loden eine weitere Hochzeitszeremonie statt. Wann weiß ich leider
nicht so genau.
Andere Länder andere Sitten. Im
Festzelt ist die Stimmung unterdessen etwas komisch geworden. Die die
noch da sind essen noch etwas und dann geht jeder seinen Weg nach
Hause.
Zuhause unterhalten wir uns noch etwas.
Shila und Dewas sehen zu, dass am Festplatz alles richtig versorgt
wird. Die Geschenke, das Essen, die übrig gebliebenen Lebensmittel
usw. Gegen 23 Uhr bin ich im Bett.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Hier könnt ihr euren Meinung, Idee oder Kommentar abgeben. Freue mich.