Mittwoch, 26. November 2014

Eine buddhistische Hochzeit und viele Rituale

Der vergangene Sonntag Abend, der Vorabend der Hochzeit ist nun schon eine ganze Weile vorbei, zu mindestens gefühlt. Nach dem leckeren aber ungewohnten Abendessen, die Innereien der frisch geschlachteten Ziegen, was hier wohl immer als Brauchtum dazu gehört, gehen wir verhältnismäßig spät es ins Bett. Mittlerweile schlafen sie hier auch auf dem Boden. 16 oder 18 Personen. Diwankar, der Bruder von Dipika, schläft mit seinen Freunden in dem kleinen Shop auf dem Boden. Die Einzige die es richtig bequem hat, bin ich. Ein Doppelbett für mich alleine und ein eigenes Zimmer. Welch ein Luxus.

Der Montagmorgen beginnt extrem früh. Shila wuselt bereits um 4.40 Uhr durch die Gegend. Die morgendliche Rushhour im Bad hat seid gestern, dramatisch zugenommen. Jeder will sich auf seine spezielle Weise chic machen. Bis ich ins Bad kann ist es 6.30 Uhr. Die Damen fangen an das Frühstück zuzubereiten. Auf einem einfachen Zweiflammen Gasherd schon eine Herausforderung. Es gibt Aloo Dum, Kartoffeln in scharfer Sauce, ungefähr 100 selbstgemachte Rotis und für mich und die engere Verwandtschaft ein Spiegelei. Bis alle etwas zu Essen haben ist 9 Uhr.

Dipika macht sich mit ihren besten Freundinnen, wir würden vielleicht Brautjungfern sagen, zurecht. Hinter verschlossenen Türen selbstverständlich. Auch hier ist die Braut die Überraschung. Nebenan im Gebetsraum murmelt seid dem frühen morgen der Lama seine Gebete. Es ist der Gleiche der auch die Puja Zeremonie letzte Woche abgehalten hat. Er freut sich richtig mich zu sehen und ich werde erst einmal gesegnet.
Auch ich mache mich so langsam parat. Während ich im Nachthemd nach einen Spiegel suche in dem ich mich sehen und schminken kann, trudelt auch schon die erste Verwandtschaft ein. Im Bad gibt es zwar einen Spiegel, der aber so tief hängt, dass ich bestenfalls meinen Bauch sehe.
Danach versuche ich mich in 7 Meter Seide zu hüllen, was nicht so einfach ist. Erst der Unterrock, dann die maßgeschneiderte Sareebluse und dann der Saree. Nach einer halben Stunde bin ich mit meinem Werk einigermaßen zufrieden. Und präsentiere mich. Alle finden mich im Saree sehr schön. Ich schäme mich etwas, weil ein Saree meinen quarkweißen Bauchspeck präsentiert und damit sehr ungnädig ist. Ich werde eines besseren belehrt; erstens habe ich so weiße Haut wie sie hier alle gerne hätten und zweitens zeigt mein Speck, dass ich nicht hungern muss sondern genügend Geld habe mir etwas zu Essen zu kaufen. Auch eine interessante Sichtweise.
Dann erspäht mich eine der Schwägerinnen und findet mein Saree – Gewurschtel gar nicht gut. Prompt werde ich wieder ausgezogen und der ganze 7 Meter Zirkus beginnt von vorne. Ok ich gebe unumwunden zu, dass es deutlich besser aussieht und auch besser sitzt. Ein Profi und ein Laie halt. Kurz nachdem ich fertig bin geht es auch fast schon los. Bekomme noch kurz erklärt, wie man sich in einem Saree richtig bewegt. Vorne ist er bodenlang, und wenn man läuft, rafft man vorne alles leicht an. Wobei ich jetzt auch verstehe warum der Schneider mir unten eine Verstärkung rein genäht hat, damit falls man sich mal rein tritt, nichts kaputt geht.
im Saree

In der Zwischenzeit hat sich eine große Menschenmasse gebildet. Drinnen wie draußen. Mit meiner Kamera bewaffnet mache ich ein paar Bilder und halte mich im Hintergrund. Einer der Onkels von Dipika und der Lama finden, dass geht gar nicht. Ich werde direkt ins Wohnzimmer gelotst. Um unmittelbar dabei zu sein und um viele Bilder zu machen. Fühle mich sehr geehrt.

Und dann geht es auch schon los. 10.30 Uhr
Der Einzug der Bräutigams Familie nebst Bräutigam.
In das eh schon gut besetzte kleine Häuschen kommen noch mal geschätzt 30-40 Personen dazu. Die natürlich nicht alle drinnen einen Platz finden. Die Tradition verlangt, dass der Bräutigam mit seinen Eltern bei der Braut einzieht, unter den Gesängen und dem Getrommel der Dorfherren. Dann werden unzählige kleine Rituale durchgeführt. Im Kern der Aussage, müssen die Eltern von Dipika und Loden (Dipikas Mann) ihr Einverständnis geben unter der Aufsicht der Dorfältesten und dem Lama nebst seinem Mönch.
Schon bevor die Bräutigams Familie eingezogen ist, wurden von den Onkeln und Dorfältesten diverse Geschenke übergeben. Immer sehr rituell. Mit einem Katta (der weiße buddhistische Schal) einer Menge Alkohol und Geld, welches beides feierlich überreicht wird. Ein lebendes Huhn war auch dabei. Ich sitze mittendrin und finde es sehr schade das ich die nepalesische Sprache nicht verstehe. Allerdings wird für mich schon mal etwas ins Englische übersetzt.

Nachdem die Brauteltern ihr Einverständnis gegeben haben, ist der eigentliche Akt auch schon fast vorbei. Gegenseitig überreichen sich die Familien verschiedenste Kattas. Der Lama spricht seine Worte und führt seine Rituale durch.

Danach geht es raus. Da es im Hof zu eng ist geht es aufs Dach, eine Ebene, und dort werden weitere Zeremonien, vorrangig von dem Onkel, Dewas - Dipikas Papa und dem Dorfälteren durchgeführt. Auch hier wird wieder dafür gesorgt, dass ich unmittelbar dabei bin.
Nach dieser fast 40 minütigen Szene werden alle essbaren Gaben die gebraucht wurden von Brautpaar gemeinsam gegessen. Anschließend die drum herum sind. 
Gaben bei den hochzeitlichen Gaben

Auf den klassischen Hochzeitskuss warte ich vergebens. Zu intim. Dipika und Loden tragen beide die traditionelle nepalesische Hochzeitsgewandung. Dipika eine roten langen Rock aus der typischen gewebten Seide (heute eher aus Viskose) mit vielen buddhistischen und chinesischen Ornamenten. Dazu auch in rot, aber ein anders Muster, einen Blazer, darunter eine rot-bunte Weste mit dem typischen chinesischen Kragen und eine lange bunte gestreifte Schürze. Dazu einen nepalesischen Hut in blau. Mir gefällt es sehr gut. Loden trägt einen aus dickem braun-schwarzen Kunstfell gefütterten gelb - goldenen Hut und dazu passend eine Art Wickelmantel, darüber nochmal einen Wickelmantel in violett mit goldenen Ornamenten. Sieht sehr majestätisch aus. Auch wenn Loden mir mit seinem Hut etwas leid tut. Morgens war es zwar kalt 14°C, aber wenn die Sonne raus kommt, was sie gerade tut, ist es schön warm und selbst in der bauchfreien und kurzärmeligen Sareebluse friert man nicht.
Anschließend gehen wir runter zum Festplatz. Loden wechselt seine Kleidung in einen grauen Anzug, unter dem er passend zum neuen Hut, eine blaue Weste trägt.
Da mich mittlerweile doch ganz schön viele hier kennen, werde ich natürlich streng begutachtet. Bekomme aber zum Glück nur Komplimente. Unbewusst, hatte ich mir meine Sareebluse in Gangtok auch mit einem chinesischen Kragen schneidern lassen. Allerdings unter dem Gedanken, dass eine höher geschlossene Bluse besser warm hält.

Die ersten Gäste sind auch schon im Festzelt und machen sich über das reichhaltige Buffet her. Ich bin richtig geplättet, was die Köche hier unter den doch recht primitiven und einfachen Bedingungen gezaubert haben.
Es gibt, weißen Reis, Gemüsereis, vegetarische kleine Bällchen, Ziege in Soße, frittierten Blumenkohl, Hühnchen in einer Art sehr scharfen roten Chillipanade, frittierten Fisch, Paneer (schnittfester Frischkäse) mit Erbsen, gelbes Linsendal, ein Rettich Chutney und für jeden ein indisches Milch-Sweet und ein Sell-Roti. Alles sehr schmackhaft. Ok das Hühnchen hat alles für ne halbe Stunde betäubt. Besonders die Lippen. Man brauchte keinen Lippenstift. Durch die Schärfe wurden sie von ganz alleine gut durchblutet und schön warm.

Ein indische Hochzeit läuft dann doch anders ab, als eine Deutsche.
Dipika und Loden nehmen auf einer kleinen Bühnen auf zwei Ehrenplätzen platzt und werden diese auch nur für die menschliche Notdurft und um etwas zu essen, verlassen. Die beiden, nebst Shila und Dewas haben echt Arbeit.
Denn jeder der ein Geschenk überreicht, überreicht auch parallel einen Katta an Dipika und einen an Loden. Anschließend bedanken sich die beiden auch mit einem Katta für das Geschenk. Ebenso Shila.
Dipika und Loden, frisch vermählt


Die Geschenke werde in einer Ecke gestapelt und auch nicht geöffnet.
Da im Gegensatz zu Deutschland die Gäste nicht auf einmal kommen sondern nach und nach, gibt es für die beiden ständig was zu tun. Bei 750 Gästen im Laufe des Tages eine gewaltige Flut an Geschenken und Kattas.
Die Köche kochen sich alle die Seele aus dem Leib und sorgen für stetigen Nachschub aller Speisen. Keiner soll leer ausgehen. Zu trinken gibt es Brandy, der hier immer verdünnt getrunken wird, Bier, Wasser und Tee. Auch hier geht der Nachschub nie aus.

Hin und wieder gibt es einen Engpass bei den Tellern. Wurde einen Teller benützt wird er sogleich hinter dem Festzelt von zwei angestellten Spülern gereinigt. Ich verbringe den Tag mit netten Gesprächen und mit Bildern machen.
Alle die mich kennen wollen mal mit mir am Tisch gesessen haben oder ein Foto von sich. Damit vergeht der Tag wie im Fluge. Gegen 20 Uhr verschwindet das Brautpaar kurz. In der Zeit fangen ein paar Leute an zu tanzen. Was mir nicht klar war: jetzt kommt der traurige Teil der Hochzeit.
Denn Dipika, nun umgezogen in einer rot - gelben Robe, verabschiedet sich von ihren Eltern und wird auf dem Rücken ihres Bruders aus dem Festzelt getragen. Zusammen mit ihrer neuen Familie und ihrem Bräutigam geht es jetzt in ihr neues Zuhause. Die Bräutigams Familie zieht komplett aus dem Festzelt aus. Was nicht unter der ein oder anderen Tränen zu bewerkstelligen ist.
Für Dipika und ihre „neue“ Familie beginnt nun ein neuer Lebensabschnitt. Am 6. Dezember darf sie zusammen mit Loden erstmals wieder zu ihren Eltern. Dann werden auch die Geschenke ausgepackt. In der Zwischenzeit findet im Hause von Loden eine weitere Hochzeitszeremonie statt. Wann weiß ich leider nicht so genau.

Andere Länder andere Sitten. Im Festzelt ist die Stimmung unterdessen etwas komisch geworden. Die die noch da sind essen noch etwas und dann geht jeder seinen Weg nach Hause.


Zuhause unterhalten wir uns noch etwas. Shila und Dewas sehen zu, dass am Festplatz alles richtig versorgt wird. Die Geschenke, das Essen, die übrig gebliebenen Lebensmittel usw. Gegen 23 Uhr bin ich im Bett.  

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Hier könnt ihr euren Meinung, Idee oder Kommentar abgeben. Freue mich.

Indian Eye Camp

Indian Eye Camp
mit einer heiligen Kuh

Info´s

Auf meiner Tour durch Nord-Indien 2012 bin ich, Ricarda Schmitz, im Teedorf Makaibari, etwa 40 km südlich von Darjeeling gelandet. Hier wird der berühmte Darjeeling Tee angebaut. Dort habe ich ein paar Tage bei einer Teepflücker-Familie gelebt und durfte am Dorfleben teilnehmen.

Das Besondere? Alle mit denen ich Kontakt hatte, strahlten eine innere Zufriedenheit aus und begnügten sich mit dem was sie ihr Eigen nannten. Dies ist aus der Sicht eines Europäers nicht besonders viel. Ein bescheidenes Dach über dem Kopf, Schulbildung für die Kinder (meistens nur die Jungs) ein wenig Ackerbau zur Selbst- versorgung und mit etwas Glück: fliessendes Wasser.

Das Erlebte: Während meines Aufenthalts, durfte ich mit den Tee-Pflückerinnen den Tee ernten und in der Fabrik den Tee sortieren. Eine sehr anstrengende Arbeit, wie ich finde. Der Verdienst? Für 8 Stunden Arbeit, traurige 1,54 € pro Tag.

Die Idee ist ein bisschen von meiner Arbeit, der Augenoptik, zurückzugeben. Ende September geht es los. Auf ins Dorf nach Makaibari im Himalaya. Dort werde ich 3 Wochen lang, meinen Beruf des Augenoptikers ausüben und die Brillenstärke der Einwohner bestimmen und für den richtigen Durchblick sorgen.

MIT IHRER MITHILFE
würde ich gerne mit einem Optiker in der Nähe von Makaibari die richtigen Brillen fertigen. Dafür bitte ich Sie um finanzielle Unterstützung um das Gelingen meines Projekt ´s zu sichern.

(von Sachspenden bitte ich abzusehen, da ich auch den Optiker in Indien unterstützen möchte. Eine fertige Brille kostet in Indien ca. 35 €uro.)